Mittwoch, 23. Januar 2008

"üks café latte, palun...


Zur Erklärung: üks = ein(s) und palun = bitte. Dieser Satz, der meinem Post diesmal seinen Namen gibt, ist der von mir am häufigsten gebrauchte. Das liegt einerseits daran, dass ich auf Estnisch leider eben nur Essen oder einen Kaffee bestellen kann. Dann bin ich auch schon an den Grenzen meiner Sprach-Kompetenz, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, angelangt. Naja, für ein paar andere Worte reicht es schon noch, aber wirklich unterhalten, kann ich mich leider nicht!
Aber nicht mein Estnisch soll hier thematisiert werden, kein Angst. Dieser Satz ist auch deswegen Leitmotiv, weil es in Tallinn einfach die gemütlichsten, schönsten und einzigartigsten Cafés gibt, die ich bis jetzt besucht habe. Und: die ich sehr vermissen werde, wie ich bei meinem letzten Aufenthalt in Deutschland (Berlin) feststellen musste.
Daher habe ich mir überlegt meine Lieblingskaffeehäuser und ihre kleinen Spezialitäten einmal vorzustellen.


"Reval-Cafe"

Livalaia 35.

Ich weiß, es sieht von außen nicht wirklich nach gemütlichem Café aus. Dieser Ort hat auch eher sentimentalen Wert, denn dort habe ich einfach einige Studen verbracht.
Das Reval-Cafe liegt gleich bei mir um die Ecke. Besonders, wenn ich arbeiten musste und mir zu Hause die Decke auf den Kopf viel, war ich hier, denn man hat hier WiFi und es ist auch wirklich sehr schön, sich hier zurückzulehnen: das Personal ist sehr freundlich und hat sich immer bemüht mit mir auf Estnisch zu kommunizieren. Außerdem sitzt man dort in richtig bequemen rot-orangenen Ohrensesseln. Und wenn man Glück hat, spielen sie abwechselnd Brayn Adams, Elton John und Phil Collins. Wahlweise gibts nämlich sonst guten Techno-Pop. Naja, ich kann sagen, ich hatte meistens Glück!


Und hier habe ich auch die ersten wasch-echten estnischen "Teilchen" gegessen.... mmmh.... sehr lecker!!
Rechts sieht man: Ounapomm vor Cappuccino in traditionell afrikanischer Masken-Deko-Tasse. Ounapomm (man stelle sich eine Welle über dem ersten 'O' vor) heißt übersetzt: Ampfelbombe und ist (sprachlich) verwandt mit der Kalorienbombe.
Sehr zu empfehlen sind auch: Kohupiima-Kirsi-Struudel (nicht schwer zu erraten, was das ist, oder? Kohupiima = Quark)
Wahlweise gibts die Struudel dann auch nur mit Kohupiima oder auch mit Ouna (wie gesagt, O+ Welle).
Und sehr lecker solle auch die Tuuletaskud sein. Das heißt direkt übersetzt "Windbeutel". Na? Kennt man, oder? Ist aber für alle zu empfehlen, denen die deutschen Windbeutel schon immer zu sahnig waren. Die estnische Mischung besteht aus Quark und Sahne.


"Cafe Petersson"


Narva mnt. 15.

Von außen etwas unscheinbar, aber nicht weniger gemütlich ist dieses Café nahe der Tallinna Ülikool.
Auch hier gibt es wahnsinnig leckere Teilchen, vor allem auch herzhafte. Die heißen dann allerdings Pirukas. Es gibt sie in unendlichen Variationen: mit Kraut, mit Möhre, mit Fleisch, mit Kraut und Fleisch, mit Möhre und Fleisch und und und.
Was diesen Ort für mich so besonders macht, ist, dass er im Prinzip eingerichtet ist wie ein urgemütliches Wohnzimmer. Man sitzt auf Möbeln, die eigentlich auch im Wohnzimmer meiner WG stehen könnten, wenn sie denn ein Wohnzimmer hätte. Prunkvolle Kronleuchter hängen an der Decke und abstrakte Kunst von lokalen Künstlern an der Wand.
Rechts haben es sich Teresa und Anna bei einer Portion Nudeln mit Salat gemütlich gemacht. Musikalische untermalt wurde der Abend später noch von einer Frau, die mit mir zusammen das Café betrat. Als sie nach einer Weile regungslos einfach nur mitten im Gang stehen blieb, kam die Bedienung auf sie zu. Dann begannen sie lange auf Russisch zu diskutierten. 
Als ich schon längst mit meinen Pirukas beschäftigt war, fing jene Frau dann auf einmal an, auf dem Klavier zu spielen und dazu zu singen. Es war nicht wirklich schön, aber familiär. Und wo würde so etwas in Deutschland passieren?


"Kehrwieder"
am Rathausplatz.

Das "Kehrwieder". Der Inbegriff des gemütlichen Cafés in Tallinn schlechthin. Und was noch viel besser ist: es gibt gleich mehrere davon. Man könnte also sagen, es handelt sich um eine Kette. Allerdings denken wir dabei sofort an McDonalds- oder Starbucks-Filialen, die praktischerweise alle im gleichen Design eingerichtet sind. Nicht aber so das Kehrwieder! Das einzige, was sie gemein haben, ist, dass sie in gemütlicher Atmosphäre mit wunderschöner Musik leckersten Café Latte anbieten. Mein Tipp: ideale Idee an kalten Tagen, nach einem Spaziergang am Meer. Alle Kehrwieder befinden sich - zumindest in der Altstadt - in den Räumen sehr alter Gebäude in Tallinn. Meist in dunklen Kellergewölbe, wird stets sehr schöne, oft auch ruhige, estnische Musik gespielt. Das Kehrwieder am Rathausplatz wird wohl neben der 'Chocolaterie' am häufigsten von Touristen bevölkert. Diese stehen wahrscheinlich auch in jedem Reiseführer und in jeder Ausgabe von "Tallinn this week".
Daher ist ein Geheimtipp von mir ist dieses "Kehrwieder":


Uus, 16.

Wieder einmal sehr unscheinbar von außen, aber dadurch mit Sicherheit kaum touristisch (also: Pssst!). Ich habe es auch nur durch meinen ehemaligen Nachbar Erich kennen lernen dürfen. Damals war es sogar noch so warm, dass wir draußen sitzen konnten. Wenn man dann zum Beispiel Nachmittags im Hof sitzt, kann man den Musikschülern bei musizieren zu hören. Denn: dieser Eingang führt eigentlich in das muusikamaja (Musikhaus). Und es hört sich so an, als studierten dort durchaus talentierte Schüler, was ja bei Schülern nicht immer der Fall sein muss. Diese sieht man auch eigentlich immer selbst in dem Kaffee sitzen.



Ein besondere Leckerheit findet sich auch hier:
Kohupiimakorp (wenn man direkt übersetzen würde, hieße es wahrscheinlich Quark-Korb). Allerdings findet sich das auch in den meisten anderen Cafés, denn es ist wirklich DIE Spezialität. Und wahrscheinlich das "Teilchen", welches ich wohl schnellsten versuchen sollte, selbst einmal zu backen, wenn ich zurück in Deutschland bin.

Übrigens befindet sich ein Ableger auch an der Tallinna Ülikool. Das erste Foto dieses Posts ist dort entstanden. Und auch diese Café versüßte mir und Teresa auch so manchen Arbeitstag!



-20 Grad?

Keine Spur. Eigentlich ist es wohl so, dass spätestens am Mitte Januar die Temperaturen wirklich tief sinken können. Heißt: manchmal bis zu -20 oder gar -30 Grad. Allerdings werden auch in Estland die Winter wärmer. Somit war mein kältester Tag hier nur -5 Grad. 
Aber jetzt erstmal wieder ein Blick vom Domberg auf die Altstadt im Januar:


Und wie man sehen kann, steht der Weihnachtsbaum auch noch! (Allerdings ist er nicht echt)
Auch die Altstadt strahlt noch in voller Weihnachtsbeleuchtung. Da kann man sich richtig freuen, wenn es bald wieder dunkel wird.



Mir fehlt inzwischen mal wieder richtiger Sonnenschein. Seitdem ich Anfang Januar wieder in Tallinn angekommen bin, habe ich das Gefühl, dass es tagsüber nie richtig hell wird. Da erklärt allerdings, warum es in Tallinn so viele Lampengeschäfte gibt. Und die Lampen sind echt schön! 
Und die Lichterketten in der Altstadt und der Schnee sind dafür auch einmalig!