Montag, 16. März 2009

ZeitGefühl

gegenwärtig, zukünftig, vergangen & Wahrnehmung, Umgang, Gedenken



Zeit, bzw. Zeitempfinden ist etwas kulturspezifisches (und wird daher auch liebend gern im DaF-Unterricht thematisiert, wenn es um interkulturelle Verständigung geht). Budapest ist eine Großstadt und doch scheinen die Menschen hier nicht so in Eile, wie beispielsweise in Berlin. Ich bin eigentlich immer die einzige, die auf der Rolle Treppe "boscanat" grummeln muss, um mich an den anderen vorbeizuschlängeln, weil ich mal wieder spät dran bin. Alle anderen warten seelenruhig ab, bis sie mit der sie untergebenen Geschwindigkeit oben angekommen sind. 
Mit Fahrplänen von Bussen und Zügen ist das auch so eine Sache. Die Verkehrsmittel kommen eigentlich immer, nur müssen sie nicht notwendig den Zeiten auf dem Fahrplan entsprechen. Besonders bei Bussen und bei der HEV (sowas wie eine Regionalbahn, die außerhalb liegende Siedlungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Budapest verbindet.) ist das der Fall...und dann steh´ich da und warte...und warte und: komme meistens zum nächsten Termin zu spät.
Und der Unterricht: Natürlich wird der pünktlich angefangen, aber kaum ein Lehrer benutzt in den Stunden einen ZeitPLAN, so dass ich mir schon fast lächerlich vorkomme, wenn ich meine Stunden zeitlich strukturiere. 
Nunja, und bei Verabredungen mit Ungarn, kann man auf jeden Fall mit Verspätungen rechnen. Alles braucht halt seine Zeit und hat seine Zeit...und ich habe mich inzwischen von einem strikten ZeitPLAN im Alltag getrennt.
 
 

Und der Umgang mit Vergangenem...wie präsent ist die Vergangenheit? Ich habe mich vor kurzem mit Severine, einer Französin mit ungarischen Wurzeln, unterhalten und sie hatte mir gleich erzählt, dass sie das Gefühl hat, dass die Vergangenheit bei den Ungarn einen großen Stellenwert hat (siehe die vielen Denkmäler, etc.). In meinen Augen ist das immer eine Frage der Perspektive. Ich denke, wenn man in einem fremden Land ist, nimmt man dessen historische Artefakte auch sensibler wahr und sieht viel stärker Bezüge zwischen den historischen Ereignissen und der Kultur. Was mir allerdings auch auffällt, ist, dass man bei Interesse, ohne Probleme historische Themen anschneiden kann...angefangen von den ungarischen Königen, über die erste U-Bahn in Europa (die eigentlich keine U-Bahn ist...), bis hinzu der Ansiedlung der Deutschen oder der kommunistischen Phase. (Übrigens kriege ich morgen eine Privatstunde in ungarischer Geschichte zum Thema Mauerfall) 

Apropros Historizismus: im Hintergrund befindet sich der Heldenplatz (Hösök Tere), an dem einstige Könige des Landes den magyarischen Sonnenuntergang beobachten können. Im Vordergrund: nostalgischer Tourismus.

Ein weiteres Beispiel (wenn wir schonmal dabei sind...):

Zum Gedenken an den hingerichteten Dissidenten Imre Nagy: Er hat die Studentenproteste von 1956 zur Revolution des Volkes proklamiert und später Reformen und den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt gefordert.

So ist das, mit der Zeit: AnFangsZeit, HochZeit, ZeitUng, UnZeit, EndZeit....zeitlebens zeitgegenwärtig....
 

1 Kommentar:

Erich hat gesagt…

schöne Beobachtungen - und das Massenphänomen mit der U-Bahn-Treppe habe ich bis zuletzt nicht erklären können